Том 5. Письма из Франции и Италии - Страница 129


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Die einen wollen nun in dem Sozialismus nur die närrischen Details sehen, in welche einige der ersten Sozialisten geraten sind, hingerissen und geblendet von der Schönheit der Ideen. Mehr Propheten als Organisatoren, blieben sie wahr in ihren vagen Bestrebungen und verkamen in ihrer Anwendung und in ihren Konsequenzen. Das leugnet niemand. Aber Sie haben gut wiederholen, daß die geschichtliche Entwickelung eine fortlaufende Metamorphose ist, in welcher jede neue Form geeigneter ist als die vorhergehende, die Wahrheit zu enthalten; man ladet uns die Überschwenglichkeiten des Vaters Enfantin, alle Maßlosigkeiten Fourriers und alle Fehler der Ikarier auf. Die andern dagegen fragen verwundert und ironisch, was denn mit Ausnahme des Wortes selbst im Sozialismus Neues sei; sie finden, daß der Sozialismus nur die Entwickelung und Fortsetzung der politischen Ökonomie ist und beschuldigen ihn des Undanks und Plagiats. Denn war nicht das Ideal von J. B. Say, wie er selbst sagt, das Nicht-Regieren?Ja. Allerdings ist der Sozialismus die Verwirklichung des Ideals der Nationalökonomie. Die politische Ökonomie ist die Frage, der Sozialismus ihre Lösung. Die politische Ökonomie ist die Beobachtung, die Beschreibung, die Statistik, die Geschichte der Erzeugung und Bewegung, der Zirkulation der Reichtümer. Der Sozialismus ist die Philosophie, die Organisation und die Wissenschaft. Die politische Ökonomie gibt die Materialien und die Dokumente, sie macht die Untersuchung – der Sozialismus spricht das Urteil. Die politische Ökonomie konstatiert die natürliche Tatsache des Reichtums und des Elends – der Sozialismus zerstört es nicht als historisches Faktum, sondern als nofwend ge Tatsache, hebt alle Schranken, alle Dämme auf, welche die Zirkulation hindern, macht das Eigentum flüssig, hebt also mit einem Worte Reichtum und Elend auf. Selbst aus diesem Antagonismus ersieht man, daß der Sozialismus in inn<i>ger Beziehung zur Nationalökonomie steht. Das ist die Analyse und Synthese eines und desselben Gedankens. Hierin liegt aber nichts Wunderbares. Seit in der Welt Doktrinen, Religionen, Systeme, seit eine geistige Bewegung existierte, hatte jede neue Lehre ihre Wurzel in einer vergangenen, sie mag sie immerhin negieren, so bleibt sie doch ihr Stützpunkt, ihr Boden, und selbst wenn sie ihre Mutter verleugnet, ihre Tochter. Auf diese Weise ging das Judentum in das Christentum über, auf diese Weise lebte das Christentum selbst in der Ethik Rousseaus fort, welche der deistischen und philanthropischen Moral des Jahrhunderts als Grundlage dient; auf diese Weise findet sich Hegel in seinem Keime schon in Spinoza und Kant, Feuerbach in Hegel. Jede neue, umgestaltende Idee beunruhigt schon, ehe sie sich als Lehre formulieren kann, die Geister und drängt sich dem Bewußtsein auf; bei dem einen erscheint sie als praktische Inspiration, beim andern als Zweifel, beim dritten als Gefühl. Plötzlich findet diese neue Idee ihr Wort, und die bisherige Morgendämmerung verschwindet vor der Sonne, die Essäer, die Therapeuten werden bei der Erscheinung Christi vergessen, weil Christus der wahre λόγος πpοϕοpιϰος war. Aus dem schöpferischen Punkte, aus welchem sich die neue Religion organisiert, wird Evangelium, aus den fragmentarischen Ideen der Kirche, aus der unsteten und sehnsüchtigen Gärung sozusagen der Befruchtungsakt. Nun wohlan! Hat wohl je ein Mensch Christus für einen Plagiator der Essäer oder selbst der Neu-Platoniker gehalten?

Die sozialen Ideen treten, wenn man will, gleichzeitig nicht allein mit der politischen Ökonomie auf, sondern selbst mit der allgemeinen Geschichte. Jeder Protest gegen die ungerechte Verteilung der Arbeitsmittel, gegen den Wucher, gegen den Mißbrauch des Eigentums – ist Sozialismus. Das Evangelium und die Apostel – um hier nur von der neuen Welt zu reden – predigen Kommunismus. Campanella, Thomas Münzer, die Wiedertäufer, teilweise die Mönche, die Quäker, die mährischen Brüder, der größere Teil der russischen Schismatiker sind Sozialisten. Aber der Sozialismus als Lehre, als Politik und als Revolution datiert erst seit den Julitagen von 1830. Die Geschichte kann sich für die frühern Bestrebungen interessieren, sie kann die Chroniken der Skandinavier durchblättern, um zu beweisen, daß die Normannen schon im 12. Jahrhundert Amerika kannten; – für uns, für das wirkliche Leben hat immer Kolumbus zuerst Amerika entdeckt. Diese frühzeitigen Bemühungen sprechen nur für den Reichtum und die Fülle der menschlichen Natur, welche schon über Dinge träumt und denkt, welche sich erst in einigen Jahrhunderten verwirklichen können.

Ist übrigens der Sozialismus jetzt nicht wie zu den Zeiten Campanellas noch zu früh und zur Unzeit erschienen? Ich bewahrte diese Bemerkung für den Nachtisch auf. Alle ausschließlich politischen Menschen, die gerade nicht erklärte Feinde des Sozialismus sind, meinen, daß er zu früh gekommen sei. Sie sagen, daß er ohne die Kraft seiner eigenen Verwirklichung in sich zu tragen, die politische Revolution gelähmt und ihr nicht die erforderliche Zeit gegönnt habe, um die Republik zu begründen, um die demokratischen Einrichtungen zu vollenden und endigen. Die Männer, welche derart<i>ge Einwendungen machen, sind mittelmäßige Geschichtskenner und schlechte Psychologen, denn sie wähnen, daß die Geschichte in der Art jener Küchökonomie verfahre, die keinen neuen Käsekuchen anfängt, als bis der angeschnittene verzehrt ist. Aber die Geschichte wie die Natur wirft sich nach allen Richtungen hin und erkennt nur die Unmöglichkeit als Grenze an. Doch das ist noch nicht alles. Die politischen Menschen haben nichts zu beendigen, nichts einzurichten, denn sie sind bei einer Grenze angekommen, nach deren Überschreitung sie mit vollen Segeln in den Sozialismus einlaufen. Wenn sie sich aufhalten, so sind sie im Gegenteil dazu verurteilt, sich in einem Ideenkreise zu drehen und zu wenden, der freilich zur Zeit der Berufung der Generalstaaten neu war, aber jetzt jedem vierzehnjährigen Kinde bekannt ist. Betrachten Sie die französische Konstitution von 48 und ze gen Sie mir nur einen neuen Gedanken, eine originelle Entwickelung, einen wirklichen Fortschritt; nehmen Sie die Sitzungen der Konstituante. – Außerhalb ihrer vier Wände die dringendsten Fragen, die zerstörendsten Zweifel, die schrecklichsten Lösungen – innerhalb derselben das ew<i>ge eintönige Wiederkäuen der fadesten und ausgehöhltesten konstitutionellen Theorien von dem Gleichgewicht der Gewalten, von den Befugnissen des Präsidenten, von der unfruchtbaren Gesetzgebung, die sich auf den abgeschmackten Code Napoleon stützt. Sie werden mir vielleicht Proudhon, Pierre Leroux, Considerant anführen… aber die sind ja selbst Fremdlinge, welche sich in diese boötische Versammlung verirrt haben, und ihre Worte werden jedesmal mit einem Schrei der Indignation von den Gesetzgebern bedeckt. «Ja, aber doch die Montagne!» Aber was wollte die Montagne des Herrn Ledru Rollin denn? Die Freiheit! Aber was ist die Freiheit? Und wie kann ein Mensch in einer Gesellschaft frei sein, die wie die französische organisiert ist, welche Garantien bieten die Montagnards für die persönliche Freiheit gegen den Staat und seine Gewalt, wie wollen sie die Unverträglichkeit aller französischen Institutionen mit der individuellen Freiheit aufheben, ohne jene selbst zu zerstören? Sie können nichts antworten; ein unbestimmtes Gefühl, eine sehr edle Sympathie für die Freiheit läßt sie handeln, sie sehen sehr gut ein, daß diese Republik abscheulich ist – aber sie kennen nicht das geringste Heilmittel. Sie sagen, daß ihre Republik noch nicht verwirklicht ist. Das ist allerdings richtig, hat seinen Grund aber darin, daß sie nicht verwirklicht werden kann. Mögen sie immerhin die wahre Freiheit wünschen, und die ersten sein, welche das salus populi suprema lex proklamieren, mögen sie immerhin die Gleichheit wollen, so wagen sie es doch nicht, an die Exploitation der duldenden und armen Majorität durch eine reiche und unterdrückende Minorität zu rühren. Nein, wir dürfen uns nicht täuschen. Die Zeit der liberalen Politiker ist vorbei, sie haben nichts zu tun oder zu sagen. Der Sozialismus hatte nach dem 24. Februar das volle Recht, sein Banner aufzupflanzen. Ich will hier gar nicht einmal von der befremdenden Anmaßung reden, welche dem menschlichen Gedanken dasselbe vorschreiben will, was Hamlet seinem Herzen sagte: «Warte, warte, schlage noch nicht, ich möchte erst wissen, was Horatio dazu sagt»; als wenn der Gedanke keine Tatsache wäre, wie alle übrigen, eine reelle, völlig autonomische Tatsache, welche ihre geschichtliche Rechtfertigung und Zeitrechnung hat. Glauben Sie vielleicht, daß das Pariser Volk sich für das Bankett des zwölften Arrondissements auf den Straßen geschlagen hätte, oder vielleicht dafür, daß es sich eine verabscheuungswürdige Republik statt einer verabscheuungswürdigen Monarchie erkämpfte? Das Volk ging geraden Schrittes auf eine soziale Republik los; aber als es sich noch einmal verraten sah, versuchte es am 15. Mai die Versammlung aufzulösen, und als ihm das nicht glückte, lieferte es seine große Junischlacht. Das Volk begriff endlich sein unbestreitbares Recht, seine meineidigen Deputierten zum Teufel zu jagen, und schloß mit dieser Erkenntnis das Zeitalter der repräsentativen Fiktion, welche Napoleon nach dem Frieden von Campo Formio der Welt ankündigte. Das Volk wollte nichts von dieser Bastard-Republik wissen, durch deren heuchlerische Züge schon die Deportationen, die hohen Gerichtshöfe, der Belagerungszustand, Cavaignac, Bonaparte und alle Leiden hervorbrachen, welche uns diese stupide und lächerliche Wirtschaft zeigt. – Das Volk ist besiegt worden! – Aber wer hat denn triumphiert? Vielleicht die Republik? Nein, sie geht alle Tage mehr rückwärts, man bedauert sie selbst nicht, die Erhaltung einer solchen Republik hat für das Volk kein Interesse mehr. Das Volk, welches seine Repräsentanten am 24. Juni vergeblich auf den Barrikaden suchte, hat sich ermüdet und ekelnd von dem politischen Schauplatz zurückgezogen, und die Montagne rief es vor einigen Tagen vergebens, es stieg diesmal nicht auf die Straßen herab, um Politik zu machen.

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